Es kostete mich einige wertvolle Minuten, bevor ich die Schärfe des Schwertes an meiner Kehle überhaupt realisieren konnte. Zu sehr war ich damit beschäftigt, das statische Rauschen in meinen Ohren wegzublenden, das von meinem wild gewordenen Herzschlag verursacht wurde und nun ein unkontrolliertes Beben meiner Brust verursachte.
Man könnte meinen, das ich mittlerweile durch das tiefe Schwarz seiner Augen blicken konnte, um das ruhelose Treiben dahinter zu ergründen.
Er war ein Wesen von abgrundtiefer Dunkelheit, welches mir zuvor schon viel früher aufgefallen sein sollte.
Mein Atem ging stoßweise und mühevoll, je mehr Druck er auf die Klinge ausübte, um mir die Luft wegzuschneiden und einen gewissen Schmerz auf die Stelle zu konzentrieren.
Ein reflexartiges Zittern erging über mich, das die anbahnende Verletzung an meinem Hals nur noch mehr provozierte.
In meinem irritierten Blick lag pure Verständnislosigkeit, welches in eine anhaltende Panik überging und ihn offensichtlich zu amüsieren schien.
>>Was w-willst du hier?<<, kam es mit versagender Stimme aus meinem Inneren, das von einem erstickten Ton begleitet wurde.
Statt mir zu antworten verzog Leigh seine sinnlichen Lippen zu einem noch grausameren Lächeln, ehe sich seine Schritte meinem Gesicht näherten, sodass sein eigenes unmittelbar vor mir stand.
In mir bahnte sich ein noch nie dagewesenes Pochen in meine Blutbahnen, sodass ich meine Aufmerksamkeit für einen kurzen Augenblick darauf konzentrieren musste.
Irgendetwas an seiner Präsenz schien mich mehr und mehr zu verwirren; aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Mit erneuter Starre versank ich in der Dunkelheit seiner schwarzen Rabenaugen, ehe ein angenehmer Schauer über meinen Rücken ging.
Das süffisante Grinsen verstärkte sich um seine Miene herum, bis er schließlich mit einer kurzen, eleganten Geste um meinen Körper herumgewandert war.
Kurz musste ich schockiert die Luft einziehen, weil es so aussah als würde er den todbringenden Stoß vollführen wollen, aber es stellte sich heraus, dass er noch eine Weile mit mir spielen wollte.
Hätte ich genügend Zeit und Ruhe gehabt, um mit einem magischen Siegel meinen Blizz aufzufrischen, wäre es gar nicht erst zu dieser Situation gekommen.
Ich hätte ihn mühelos in eine glänzende Eisschicht gehüllt; sämtliche Gliedmaßen zur Bewegungslosigkeit gezwungen, sodass er mir nun hoffnungslos ergeben wäre.
Aber da er wusste was ich war, hatte er meine Strategie schon im Voraus durchdacht und mich mit sarkastischen Bemerkungen abgelenkt.
Ich sog scharf die Luft ein, als sich seine freie Hand um meine Taille herum legte und mich an seinen muskulösen Körper zog.
Die Krieger der Verdammten waren geschickt darin mit den Gefühlen anderer zu spielen, sie schamlos für ihre Unterhaltung auszunutzen und diese armen Kreaturen letztendlich auszubeuten, sodass sie nur noch ein Schatten ihrer selbst waren.
Eine leere Hülle; ohne Bedeutung oder einen besonderen Wert.
Ich schauderte bei dem Gedanken an ihre grausame, sadistische Natur.
Selbst bei den eisigen Temperaturen in der Höhle benetzte eine unfassbare Hitze meinen Körper, ohne dass ich etwas Sinnvolles dagegen unternehmen konnte.
Mit der einen Hand das Schwert an meinen Hals angesetzt und mit dem anderen an meiner Hüfte, bildete dieses Bild einen schrägen Kontrast zu dieser Situation.
Ich ließ mir meine aufwallenden Hormone nicht anmerken und gab ein feindseliges Zischen von mir.
>>Beantworte meine Frage, Bellatorus Damnatorum, oder ich werde -<<
Sofort wurde ich bei meiner wütenden Drohung unterbrochen, als sein Arm mich enger an ihn schmiegte; das scharfe Schwert noch fester an meinem Hals angesetzt und er sein Gesicht zu mir wandte; ein kühles, ausdrucksloses Gesicht hervorgezaubert.
Ich schluckte nervös, ehe sich das Pochen mittlerweile in ein schmerzhaftes Hämmern verwandelte.
>>Dein Blizz ist verbraucht, du kannst rein gar nichts tun.<<, erwiderte er mit einer so schneidenden Schärfe im Unterton, dass ich kurz den Zugang zu meinen Gedanken verlor. Seltsamerweise lag in der Kälte seiner Stimme noch zusätzlich etwas Sanftes, was mich ebenfalls völlig zu verwirren schien.
Ein unheilvolles Krächzen zerriss die plötzliche Stille und als ich meinen Blick in die Richtung der Geräuschquelle warf, erspähte ich seinen Raben, der geradewegs auf ihn zugeflogen kam und sich mit seinen leuchtenden schwarzen Schwingen auf seiner Schulter niederließ.
Ich wand mich unter dem starrenden Blick des Vogel, welches mich mit einer taktischen Intelligenz zu beobachten schien.
>>Hallo, Tenebra.<<, grüßte ihn Leigh und schenkte dem Vieh ein beinahe liebevolles Lächeln, was bei ihm einfach nur unwirklich schien.
Wie ein Fetzen aus einem Alptraum.
Kurz kam ich zu dem Entschluss mich zur Wehr zu setzen, allerdings würde das so gut wie nichts bringen, da er mich fest im Griff hatte.
Frustriert verharrte ich in der gezwungenen Position und wartete angespannt auf sein weiteres Vorhaben, das mir nicht lange verwehrt blieb.
>>Ich sage dir was ich hier will und möglicherweise kommst du hier auch unbeschadet heraus.<<, verkündete er zu meiner Überraschung und ließ mich gewisse Hintergedanken erahnen, die sich auch schnell bemerkbar machten.
>>Allerdings.<<, und das sagte er mit einem zuckersüßen Flüstern, welches mich noch mehr benebelte,
>>wirst du mir ein wenig deiner Lebenskraft spendieren.<<
Ein eisiger Mantel legte sich bei seinen Worten über mein Haupt und ließ mich pure Verzweiflung verspüren.
Ich kannte die Gerüchte, die sich um die Krieger der Verdammten rankten und wie dieser „Lebenskraft-Entzug“ tagelange Halluzinationen und Wahnvorstellungen hervorrufen konnte.
Durch die dünnen Fasern meiner Kleidung spürte ich deutlich sein stoisches, völlig in sich gekehrtes Herz, das nicht eine Sekunde aus seinem gleichmäßigen, kontrollierten Takt fiel.
Angewidert verzog ich mein Gesicht und nickte nur äußerst widerwillig zu seinen Anforderungen.
Entweder ich wollte lebend hier heraus und musste dafür einige kranke Nächte in Kauf nehmen oder ich beendete mein viel zu junges Leben in einer verborgenen Eishöhle.
Er wusste, dass ich danach zu schwach sein würde, um den Spruch zu verwenden, der meine Kräfte entfesseln würde.
Die Wahl fiel mir nicht besonders schwer, weshalb ich nur noch eine schwache Zustimmung meinerseits geben konnte.
Ein widerliches Lachen wich aus seiner Kehle, ehe er zu meiner Erleichterung das Schwert senkte und in seiner Scheide verschwinden ließ.
Kurz überkam mich ein brennender Schmerz, der sich rötlich von meinem Hals abhob, allerdings war ich froh einigermaßen wieder zu Luft zu kommen und nicht mehr die Kälte der Klinge spüren zu müssen.
Ich schöpfte neue Hoffnung und wollte mich gerade von ihm befreien, als er mich auch schon mit beiden Händen fest an sich zog und sein Kinn auf meinen Kopf legte.
Sein verführerischer Geruch tänzelte um meine Sinne und verursachte eine noch intensivere Benommenheit, als es ohnehin schon der Fall war.
>>Na, na, nicht so schnell Snowwhite. Ich habe nicht gesagt, dass du dich befreien darfst.<<
Sein spöttisches Grinsen manifestiere sich schon beinahe in meinem Bewusstsein, aber ich versuchte krampfhaft Geduld zu üben und das stete Flattern in meiner Magengegend zu ignorieren.
Ich hielt gespannt inne und bewegte mich keinen einzigen Zentimeter. Stattdessen betrachtete ich geistesabwesend einen schimmernden Eiszapfen, der von der Decke hing.
>>Schon viel besser. Also. Ich bin aus dem selben Grund hier wie du. Natürlich bin ich kein Niveus und muss irgendeine jämmerliche Kraft aus den Wänden hier schöpfen. Viel mehr geht es mir um die natürliche Finsternis, die hier vorhanden ist. Das ist meine Macht.
Das Shira<<
Bei seinen Worten musste ich ungläubig auf meine Unterlippe beißen, sodass schon einige Tropfen Blut daraus strömten.
Wie konnte mir nur entgangen sein, dass hier in jeder Ecke Dunkelheit lauerte? Lichtlose Schwärze, die in jedem Winkel dieses Gebiets verborgen war.
Ich schauderte.
Plötzlich schlich sich erneut seine Stimme in meinen Kopf und hallte hypnotisch an den Wänden der Höhle wider.
>>Kommen wir jetzt zu dem Part, wo du deine Gefälligkeit einlösen musst.<<, meinte er sanft und strich mir behutsam über die Hüfte, das sogleich eine brennende Spur darauf hinterließ.
Bevor ich näher diese zerfressende Mischung aus Panik und Herzflattern ergründen konnte, legte sich urplötzlich wieder der finstere Schleier über uns, der schon anfangs um ihn herum gewirbelt war.
Wir wurden vollkommen in seine schwarzen Rauchschwaden eingehüllt, die ein abwechselndes Zucken von sich gaben.
Schatten wurden zum Leben erweckt, von lebendigen Stimmen durchzogen, sodass ich den Eindruck bekam, dass sich noch mehr Personen in diesem Mantel aus Dunkelheit befanden.
Urplötzlich legte sich eine noch nie dagewesene Müdigkeit über meine Lider, die es mir erschwerte, noch länger die Augen offenzuhalten und bei Sinnen zu bleiben.
Aus diesem dämmrigen Zustand, kämpfte sich seine leise, aber durchaus verständliche Stimme zu meinem Verstand, bis ich vollkommen das Bewusstsein verlor und mich endgültig seinen Kräften hingab; begleitet von dem Krächzen des Raben.
>>Süße Träume, Snowwhite...<<